…tun wir heute kaum etwas so pausenlos wie digitale Dienstleistungen abrufen. Selbst dann, wenn wir uns dessen nicht einmal bewusst sind, ist unsere virtuelle Identität aktiv, bauen Apps, Tools, Social Media Plattformen und Suchmaschinen um uns herum unser ganz persönliches Haus vom Nikolaus, rauf, rüber, runter – link, like, track…und finished.
In dieser schönen neuen Welt nimmt Big Data uns an die Hand und zeigt uns anhand unserer Profile, was wir sehen, fühlen, denken, meinen und uns wünschen. Da wollen sich manche schon lange vor der Bescherung am liebsten losreißen und heulend davonrennen, weil sie um ihre Freiheit und Selbstbestimmtheit, oder einfach ihren Job fürchten. Andere springen, kaum dass es klingelt, begeistert hinein in die gute Stube, weil es doch allzu schön daherleuchtet, das digitale Versprechen auf immer weniger Zweifel, Plackerei und Unsicherheit. Die Allermeisten aber gehen halt einfach mit, ohne sich groß aufzuregen. Freuen sich daran, wie praktisch und einfach Vieles durch die Digitalisierung wird, modernisieren ihre Geschäftsmodelle und ihr Kontaktverhalten, surfen, chatten, arbeiten und flirten online, werden reich, berühmt, bequem, papierlos, effizient oder alles zusammen. Und beklagen ab und zu „Schnelllebigkeit“ und den Verlust an Bodenständigkeit und Echtheit.
Dann legen sie kurz mal das Spielzeug weg und finden plötzlich auch offline noch jede Menge Sinnvolles zu tun. Naja, wen wundert’s? So sind wir Menschen eben nun mal: Mehrdeutig, widersprüchlich, opportunistisch und einfach nicht zu fassen (was die Algorithmen nicht wenig ärgern dürfte!). Zum Beispiel auch an Weihnachten: Da wünscht sich jeder Besinnlichkeit und rennt dann doch genervt und hektisch durch die Stadt (oder eben durch die Online-Shops). Da graust es einem vor Kitsch und Sentimentalitäten und doch gibt’s am Weihnachtsabend wieder glänzende Augen bei der Bescherung (oder eben eine wilde Emojis-Schlacht). Und der Atheist der Familie geht auf einmal doch mit in die Kirche, weil es eben irgendwie dazugehört.
Ist das nun schlimm? Nein, es ist herrlich! Es ist das, was das Leben reicher und bunter macht, fröhlich erhaben über das Schwarz-Weiß und den binären Code. Und uns zu Menschen, die Computern Einiges voraushaben.
Die Fähigkeit, Unwägbarkeiten und Ambivalenzen auszuhalten, mit ihnen zu leben und sie sogar bereichernd zu finden, sollten wir nicht verlernen, auch wenn uns Technologien dazu verlocken wollen, da endlich mal aufzuräumen. Sicher bringen sie uns in vielen Bereichen große (Fort)schritte. Erlösen werden sie uns aber nicht – weder vom Bösen noch vom Bunten. Denn dazu sind wir viel zu viele: Menschen.
Frohe Weihnachten und einen genauso pragmatischen wie optimistischen Start ins neue Jahr wünscht Ihnen das gesamte upDATE Team!
Zum Lesen und Lachen:
Ursus Wehrli: Kunst aufräumen
Miriam Meckel: Next. Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns. Reinbek bei Hamburg, 2011