Informationen schnell auszutauschen und auf den Punkt zu kommen, darauf kommt es heute an. Selbst im privaten Umfeld finden wir immer mehr Würze in der Kürze: Wir chatten und simsen von unterwegs, reduzieren Emotionen auf Emoticons und Worte auf Abkürzungen, geben unsere Meinung mittels eines Klicks auf „like“ kund. Doch das persönliche Gespräch ist deshalb nicht passé. Und der Begriff „Storytelling“ ist in aller Munde. Englisch aufgehübscht und funktionalisiert für klare Business- und Marketing-Zwecke füllt er Seminare und interessiert auf einmal Menschen, die gelernt haben, mit Zahlen, harten Fakten und Produktinformationen zu argumentieren und zu verkaufen. Weil sich nämlich immer mehr herausstellt, dass die allein nicht (mehr) ausreichen, um aus der Masse hervorzustechen und bei Kunden im Gedächtnis zu bleiben. Dafür sind Präsentationen und Reden, die in Struktur und Inhalt nach dem Prinzip guter Geschichten aufgebaut sind, einfach besser und effizienter.
Wie aber macht man das? Welche Geschichte lässt sich – ob im Vortrag, im Mailing oder in der Präsentation – zu Produkten oder Dienstleistungen erzählen, die an sich nicht unbedingt das Zeug zum „ganz großen Kino“ haben? Und, bei wachsender Konkurrenz: Wie holt man beim Kunden jemanden hinter dem Ofen hervor mit etwas, was er eigentlich sowieso schon kennt, zum Beispiel weil andere genau dasselbe anbieten? Hier ein paar Tipps:
Die richtige Botschaft festlegen, Identifikation ermöglichen: Wer sich wiedererkennt, hört zu
Storytelling im Vertrieb wird meist eingesetzt, um Kunden in ansprechender Weise den Mehrwert und Nutzen der eigenen Leistung zu verdeutlichen. Ein häufiges Missverständnis dabei: Es geht beim Ersinnen guter Geschichten nicht um die noch besser versteckte und durch epische Breite „aufgemotzte“ Selbstbeweihräucherung, sondern darum, die Sympathie und Empathie des Publikums zu gewinnen. Mit allzu glatten Erfolgsstories und Prahlerei kommt man da nicht weit, eher schon mit Ehrlichkeit und einem glaubwürdigen Bekenntnis zur Menschlichkeit mit all ihren Überraschungen. Das kann zum Beispiel heißen, Geschichten nach dem bewährten Prinzip aufzubauen, das Kino- und Theatersäle seit jeher füllt: Der tiefe Fall eines Helden (alias eines Produktes oder einer Firma) und dessen erfolgreicher Wiederaufstieg. Die unerwartet positive Entwicklung einer Person (alias eines Unternehmens), obwohl alles dagegen sprach. Das plötzliche Einbrechen von etwas Fremdem und Bösen (alias eines Wettbewerbers, eines Produkts..) in eine heile Welt (alias den aktuellen Markt…)– und wie jemand diese Herausforderung bewältigte. Das Aufdecken einer heimlichen Wahrheit oder Eigenschaft, eine „hidden championship“ oder eine Veränderung mit weitreichenden Konsequenzen. Auch von Lernerfahrungen oder Überraschungen in der Unternehmensgeschichte oder mit Kunden zu berichten, Humor und Selbstironie zu zeigen – all das bringt Sie bei Ihren Zuhörern auf Augenhöhe, es macht Sie authentisch, sympathisch und ansprechbar. Am besten ist, wenn, wer Ihnen zuhört aus eigener Erfahrung weiß, wovon Sie sprechen und sich damit identifizieren kann – trotz oder gerade weil sie es metaphorisch in einen packende Geschichte packen, statt es plump beim Namen zu nennen.
Den Köder auslegen: Nichts geht über einen guten, emotional geprägten Einstieg
Beim Kennenlernen einer Person entscheidet sich in den ersten paar Sekunden, ob jemand uns sympathisch oder unsympathisch ist. Eine wirkliche zweite Chance gibt es selten. Damit wir uns, gewohnt an schnelles Zappen und Surfen, heute mit einer gelesenen oder gehörten Information näher befassen, sollte der Köder am besten gleich am Anfang ausgelegt werden. Und zwar für das Herz, nicht für den Verstand der Adressaten – dass das viel Aufmerksamkeit bringt und auch hält, zeigt nicht nur der Erfolg der Boulevardpresse. Studien zum Online-Leseverhalten haben gezeigt, dass Leser am längsten auf Informationen verharren, die Emotionen wie Belustigung, Mitleid, Ekel oder Überraschung auslösen. Packen Sie Ihr Publikum also zuerst am Gefühl. Zum Einstieg eignen sich daher zum Beispiel:
- eine ganz persönliche, private Erinnerung oder Erfahrung ( „Ganz im Vertrauen…“)
- ein tragisches oder überraschendes Detail oder eine Kehrseite zu etwas, von dem die Adressaten eigentlich annahmen Bescheid zu wissen („Es ist nicht alles Gold was glänzt“)
- eine brandaktuelle Neuigkeit oder Information („Wussten Sie schon, dass…“)
- die (Kindheits)geschichte einer (berühmten) Person als Beispiel für unerwartete Entwicklungen („Man soll niemals nie sagen….“)
- eine bekannte Fabel, ein Gag, eine Anekdote, ein Märchen, eine Heldengeschichte, ein berühmtes Sprichwort, eine Redewendung oder ein Zitat – und wie es einen aktuellen Kontext paraphrasiert bzw. mit ihm verglichen werden kann („Manche setzen im Vertrieb auf das Prinzip „Sterntaler“ – aber Erfolge fallen nun mal nicht vom Himmel…“)
Sprachlich einfangen: So entsteht das „Kino im Kopf“
Als Erwachsene stufen wir, zumindest in westlichen Kulturen, die durch rationale Argumente begründbare Information oft als verlässlicher ein als intuitiv, auf unbewusster und emotionaler Ebene gewonnene Einschätzungen. Trotzdem sind diese immer mit im Spiel, wenn wir uns ein Urteil bilden und, um komplexe Inhalte zu verstehen und im Gedächtnis zu behalten, brauchen wir deren emotionale „Verankerung“ sogar mehr als uns bewusst ist. Damit man sich an Ihre Story erinnert, sollten Sie sich daher besonders auch um eine sprachliche Gestaltung bemühen, die Emotionen weckt. Redewendungen, Vergleiche, Eselsbrücken, Metaphern und Beispiele sollten zur Veranschaulichung gut dosiert eingesetzt werden. Achtung: Oberstes Ziel dabei ist aber nicht eine orientalische Ausschmückung des Gesagten, sondern dessen bessere Verständlichkeit. Formulieren Sie also so bildhaft wie möglich, aber auch nach der Devise: „1 Gedanke, 1 Satz“.
Charme versprühen: Zwischen den Zeilen passiert so allerhand
Das bekannte Bild von der Kommunikation als Eisberg zeigt: Vieles, ja das Meiste passiert, während Menschen zu Menschen sprechen, weit unterhalb der rational wahrgenommenen Oberfläche. Auf der zwischenmenschlichen, nonverbalen Ebene wird, oft erschreckend unabhängig vom tatsächlichen Inhalt des Gesagten, sehr schnell entschieden, ob man das Gehörte als glaubwürdig und relevant erachten und überhaupt an sich herankommen lassen möchte. Wer sich dessen bewusst ist, dass Worte flüchtig, persönliche Eindrücke aber bleibend sind, versucht Konsens und Sympathie auch mit anderen als verbalen Mitteln herzustellen. Er untermauert den Erfolg seiner Story zum Beispiel durch regelmäßigen Blickkontakt und fordert dadurch Aufmerksamkeit und Zustimmung ein. Auch Gestik und Mimik können gezielt eingesetzt werden, um Sympathie zu erlangen – allerdings ist auch hier ein authentisches Auftreten mehr wert als schlechte Schauspielerei. Ein gekünsteltes Lächeln oder eine verkrampfte Haltung bewirken leicht das Gegenteil. Besser ist, schon vorab gezielt zu überlegen, wo der Mittelweg zwischen der ganz persönlichen Haltung, Mimik und Gestik und der gezielten Unterstreichung des Gesagten durch etwas gekonnte „Inszenierung“ liegt.
Die Kunst liegt im Loslassen: Gute Geschichten lassen Spielraum für Interpretationen
Ein guter Redner und Erzähler lässt seine Zuhörer nicht folgen – er nimmt sie gleich von Anfang an mit auf einen gemeinsamen Weg, auf dem keiner der Anführer ist. Und er beherrscht die Kunst, Botschaften so gekonnt zu verpacken, dass die Adressaten eine kindliche Neugier und Freude entwickeln, sie selbst und für sich selbst wieder auszupacken. Sie sind dazu angehalten, die Brücke von einer fiktiven, metaphorischen Ebene zur profanen Wirklichkeit selbst zu schlagen und die richtigen Ableitungen zu treffen – und die Überraschung dabei ist: Sie tun das auch noch allein und gerne! Kein Wunder eigentlich, dass Storytelling voll im Trend liegt: Unabhängigkeit bei der Urteilsbildung und Entscheidungsfindung – im Zeitalter der freien Informationsbeschaffung und Mobilität ist das eher schwerer als leichter geworden. Den meisten aber geht es trotzdem über alles. Bestens informierten Zielpersonen mit der klassischen Produkt- und Unternehmenspräsentation zu kommen, ohne deren Perspektive und Mündigkeit zu berücksichtigen – das ist nicht nur langweilig und unkreativ, es grenzt auch an Bevormundung. Und die ist ja nun definitiv sowas von out.
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