Verehrter Leser!
Offensichtlich haben Sie vor, diese Kolumne zu lesen – und das, wo wir uns noch nicht einmal kennen. Vermutlich interessiert Sie irgendetwas an mir, sonst wären Sie ja nicht hier gelandet. Eigentlich hatte ich gerade nicht mit Ihnen gerechnet, aber nun wo Sie ja schon einmal hier sind, nehme ich mir gerne die Zeit und lasse Sie mich in Ruhe lesen, hoffentlich bis zum Ende.
Ich freue mich darüber und – wer weiß, vielleicht haben wir ja letztendlich sogar beide etwas davon! Sie wissen nach meiner Lektüre mehr zu einem Thema, das Sie aktuell interessiert. Ich dagegen werde von Ihnen kommentiert oder sogar weiterempfohlen!
Wäre es nicht schön, wenn Kunden so oder ähnlich auf Kaltakquise-Anrufe reagieren würden? Freudig überrascht, interessiert, geduldig, neugierig und am besten schon, bevor wir überhaupt fertig sind, überzeugt von der Möglichkeit WIN-WIN-Situationen generieren zu können?
Hören wir auf zu träumen und nehmen wir uns lieber Zeit für ein kurzes Brainstorming zum Thema „Telefonischer Erstkontakt“. Welches Bild haben Sie dabei vor Augen? So etwas wie „Vertriebsmitarbeiter X sitzt vor einer ellenlangen Excel-Liste, greift zum Telefon und ruft 100 unbekannte Nummern durch, hört 100 Stimmen zum ersten Mal, stellt sich 100 Mal als X von Firma Y vor und legt los mit dem vorbereiteten Sprüchlein (oder auch gleich einem ganzen Sermon ohne Punkt und Komma) zum Produkt Y. Erfährt die ganze Bandbreite an Reaktionen von freundlicher Vertröstung (häufig bis sehr häufig), harscher Abwimmelung (oft), mäßiger Interessiertheit mit Bitte um weitere Information (manchmal) und aufmerksamem Nachfragen (selten). Und hat infolge der mageren Ausbeute von etwa 1 Termin bei 100 Anrufen und einer je nach Persönlichkeitstyp mehr oder weniger großen Grundangst vor Zurückweisung keine gesteigerte Motivation für diese Tätigkeit.“ Da darf man berechtigterweise fragen: Lohnt sich das? Und wenn es sich lohnen soll, dann wie?
Richtig ist: Sich heutzutage für die Kaltakquise per Telefon statt für Empfehlungsmarketing, Internet oder Mund-zu-Mund-Propaganda zu entscheiden passt gut zu dem Mantra, das Vertriebsberater heute zu Recht rezitieren: Wer in Zeiten harter Konkurrenz und wachsender Massenhaftigkeit und Ununterscheidbarkeit von Produkten überhaupt noch als Anbieter wahrgenommen werden will, geht persönlich und direkt auf potentielle Kunden zu, wie und wo es nur geht. Orientierungslosigkeit ab- und Vertrauen aufzubauen – das verspricht Wettbewerbsvorteile. Sympathie, Sachkenntnis, Erfahrung und Empathie sind notwendig, um sich langfristig von der Masse der Mitbewerber abzuheben und sich stückweise zum geschätzten Ratgeber (trusted advisor) zu entwickeln.
Aber Vorsicht: Nur weil mit der guten Absicht der direkten Kundenansprache zum Telefonhörer gegriffen wird, ist an einem mühevoll einstudierten, monoton heruntergeratterten Elevator Pitch, womöglich unmittelbar gefolgt von einer wahllosen Aufzählung von Produktvorteilen und vermeintlichen Nutzenargumenten noch lange nichts persönlich. Vielleicht nur ungefähr so viel wie an Spam-Mails mit Gewinnbenachrichtigung. Und in den meisten Fällen wird sich auch prompt eine damit vergleichbare Reaktion einstellen: „Brauche ich nicht!“, „Will ich nicht!“ oder „Nerv mich nicht!“
Besser, wenn in allen Phasen des Kontakts – also vorher, währenddessen und nachher – gleich weitere Grundsätze und Vorgehensweisen des beratenden Verkaufens berücksichtigt werden. Hier eine kleine Checkliste:
So wirken Sie beim ersten Anruf
- vorbereitet und informiert: Befassen Sie sich vorab intensiv mit folgenden Fragen: Wer ist der Kunde, was weiß ich eigentlich über ihn und seine Branche? Welche Marktfaktoren beeinflussen ihn, und seine Kunden? Was sind möglicherweise Themen, die ihn „nachts nicht schlafen lassen“? Auf welchen Bedarf lässt sich welches unserer Angebote möglichst „spitz“ und passend formulieren und zuschneiden? Können Sie den Nutzen klar darstellen und zeigen, welches Problem Sie mit Ihrer Idee beim Kunden lösen können? Verfügen Sie ergänzend zu Ihren eigenen Interessen auch über objektive Informationen, die den Kunden interessieren könnten? Zum Beispiel über aktuelle Studienergebnisse zu einem Thema, das ihn betrifft? Haben Sie bei der Planung Ihrer Kaltakquisekampagne Ihren Verkaufstrichter und den Zeitfaktor berücksichtigt (also: Wie viele Adressen muss ich anrufen, damit wie viele Interessenten und wie viele Leads dabei herauskommen?)?
- Wie gut kennen Sie das Buying Center des Kunden? Sind Sie sicher, dass Sie von Anfang an mit den richtigen Personen sprechen? Wer sind mögliche Entscheider, Unterstützer und Stakeholder für aktuelle und zukünftige Entwicklungen? Manchmal lohnt es sich, hier zweimal hinzusehen. Gerade IT-Entscheidungen sind immer häufiger Business-Entscheidungen, sodass auch andere Ansprechpartner in anderen Unternehmensbereichen in den Blick rücken.
Und nicht zu vergessen: Die Nachbereitung. Idealerweise pflegen Sie die Ergebnisse nach dem Gespräch in ein CRM-System ein. Ohnehin sollten Ihre Anrufe in andere Kundenentwicklungsaktivitäten eingebunden, z.B. ein umfassenden Kommunikationskonzept eingebunden sein, in dem alle Beteiligten an einem Strang ziehen.
- persönlich und sympathisch: Zeigen Sie gute Laune, Humor, vor allem aber Empathie. Das heißt: Hören Sie von Anfang an gut zu und gehen Sie auf Ihren Gesprächspartner und das ein, was er Ihnen, auch „zwischen den Zeilen“ übermittelt. Nehmen Sie Einwände oder negative Reaktionen nicht persönlich, sondern leiten Sie daraus neue Fragestellungen ab, die Sie im Kontakt mit dem Kunden weiterbringen könnten. Wenn Sie z.B. merken, dass der Zeitpunkt Ihres Anrufs gerade ungünstig ist, spulen Sie nicht noch schneller ab, was sie zu sagen haben, sondern reagieren Sie proaktiv auf dieses Signal („Ich merke, ich rufe gerade ungünstig an“) und schlagen dann proaktiv eine Lösung vor („Wann würde es Ihnen besser passen?“). Hier liegt eine erste Chance, zu zeigen, dass Sie sich in den Kunden hineinversetzen können. Pausen, gerade nach Ihrem ersten Satz, in dem Sie sich mit Name und Firma vorgestellt haben, ermöglichen es Ihnen und Ihrem Gesprächspartner sich innerlich zu sammeln und zu reagieren. Und sie sind Ausdruck von Anerkennung und Respekt gegenüber der zentralen Rolle, die Ihr Gegenüber im Gespräch innehaben sollte.
- ehrlich und authentisch: Wenn Sie für das stehen, was Sie vermitteln möchten und sich mit Ihrem Unternehmen und Ihrer Rolle als Vertriebsmitarbeiter identifizieren, haben Sie schon gute Karten dafür, dass man Ihnen Gehör und Glauben schenkt. Innere Distanz und Unzufriedenheit dagegen sind durch den Telefonhörer spürbar und beeinflussen, wie Sie wirken, egal wie gut Sie vorbereitet sind. Stehen Sie dagegen auch persönlich hinter dem, was Sie tun und erreichen möchten, fällt es Ihnen leichter, bei Einwänden oder Unsicherheiten, gelassen zu bleiben und nicht in die Defensive zu rutschen. Kompetenz zeigen Sie mit der Haltung: „Ich bin willens und in der Lage, Ihre Fragen und Zweifel aufzulösen.“ Und möglicherweise haben Sie ja damit auch schon einen willkommenen Aufhänger für ein Folgegespräch! Vorausgesetzt natürlich, Sie haben ein gutes Gespräch hinbekommen – und damit schon die kleine Zehe in der Tür.
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