Des einen Freud, des anderen Leid: Arbeit
Der erste Mai: Der Tag der Arbeit bietet mitten
in der Woche einen willkommenen Anlass, diese einmal zu unterbrechen. Vielzitiert wird dazu der Satz von Viktor Adler: „Er ist sehr schön, der 1. Mai, und die Tausende von Bourgeois und Kleinbürgern werden es den Hunderttausenden von Proletariern gewiss gerne vergönnen, sich auch einmal das berühmte Erwachen der Natur, das alle Dichter preisen und wovon der Fabrikszwängling so wenig bemerkt, in der Nähe zu besehen.“
Fabrikszwängling wird man heute wohl niemanden mehr nennen. Und doch: Wo die Arbeit den Blick verstellt und die Zeit raubt für andere lebensnotwendige und (er)lebenswerte Dinge kann sie als enges Korsett empfunden werden. Dazu einige Fakten:
Laut Statistischem Bundesamt arbeitet heute jeder Achte mehr als 48 Stunden pro Woche. Wer länger arbeitet als vertraglich festgelegt und Überstunden aufbaut, wird vielerorts als besonders leistungsbereit und verantwortungsvoll gegenüber dem Arbeitgeber gesehen, gerade wenn er ein hohes Gehalt bezieht. Wo der Stellenwert der Arbeit höher eingeschätzt wird als der des (Privat)lebens, messen sich Erfolg und Status zwangsläufig am Grad der Mehrarbeit (oft unabhängig davon, wie gut oder gerechtfertigt diese ist, so Markus Flohr in Verweis auf Julia Friedrichs). Dies ist eine Gefahr gerade für Selbstständige und Führungskräfte, aber auch ein möglicher Pferdefuß der viel gelobten Vertrauensarbeitszeit für Angestellte: Wenn der Preis dafür die ständige Verfügbarkeit und der Anspruch auf uneingeschränkte Priorität der Arbeit vor anderen Dingen ist, ist diese nicht viel mehr wert.
Zufriedenheit und Motivation?
Gute Freunde am Arbeitsplatz, Vorgesetzte, die unterstützen und regelmäßiges Feedback geben, Bildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten: So schlecht sieht es rein statistisch gesehen damit in Deutschland nicht einmal aus, wie Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen. Trotzdem sinkt die Zufriedenheit im Job und der Anteil derer, die ihre Tätigkeit nicht (mehr) als sinnerfüllt begreifen und sich innerlich verabschiedet haben, steigt. Mit fatalen Auswirkungen auf die Unternehmen, die sie beschäftigen und zur Freude gleich mehrerer Branchen: Kein Problem, das nicht therapiert, kein Ratgeber, der nicht benötigt werden könnte und kein Mitarbeiter, der nicht zum Besseren gecoacht werden könnte.
Doch woran hakt es eigentlich? Über die Ursachen der Jobunzufriedenheit wird viel spekuliert, meist werden erhöhte Anforderungen genannt sowie Schwierigkeiten, Familie und Beruf auf befriedigende Weise zu vereinbaren, besonders aber auch das Fehlen des gesellschaftlichen Sinns vieler Tätigkeiten. Ein gefundenes Fressen ist das Thema damit seit jeher auch für Sozialwissenschaftler, Arbeitspsychologen, Philosophen und Literaten. Der österreichische Autor Franzobel schreibt dazu:
„Arbeit, das sind wir – und sonst nichts mehr. Aber Arbeit ermüdet, und wir sind nicht dafür geschaffen. Kein Lebewesen verbringt die meiste Zeit seines Daseins mit Arbeit, die nichts mit seinem Heim, seiner Nahrung oder seiner Familie zu tun hat. Wir Menschen schon.“
Lassen wir also die Arbeit ruhen und widmen uns Heim und Familie. Zumindest bis übermorgen.
Einen wunderschönen Mai-Feiertag wünscht
Ihr upDATE Team
Zum Weiterlesen:
Marianne Gronemeyer: Wie viel Arbeit braucht der Mensch?
Gehirn & Geist: Plädoyer für sinnerfüllte Arbeit
Süddeutsche.de: Arbeitszeiten in Deutschland – Sechs-Tage-Woche wird Alltag
Süddeutsche.de: Frust, made in Germany