Vor kurzem zeigte die Umfrage „Digital Value 2018 – der Beitrag der Digitalisierung zur Wertschöpfung„, dass es in den meisten Unternehmen schon recht gut voran geht mit der „Digitalen Transformation“. Insbesondere bei der Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen sind die meisten der befragten Unternehmen laut der Studie bereits fortgeschritten, während es beim Kreieren wirklich innovativer, digitaler Geschäftsmodelle (also solche, die ausschließlich an ein virtuelles Leistungsversprechen gekoppelt sind) am Standort Deutschland noch eher mau aussieht. Aber wie „schlimm“ ist das denn tatsächlich? Nur jedes 5. Unternehmen sieht hier, so die zitierte Befragung, einen tatsächlichen Veränderungsdruck. Aus unserer Sicht als Trainings- und Beratungsdienstleister ist dies nachvollziehbar und verständlich. Schließlich hängt es sehr von der Art und Zielgruppe von Produkten und Dienstleistungen ab, in welchem Maße und bis zu welchem Level die Transformation hin zu einem rein digitalen Werteversprechen bzw. Geschäftsmodell tatsächlich sinnvoll ist und Mehrwerte verspricht.
Den digitalen „Reifegrad“ ermitteln
Eine empfehlenswerte Vorgehensweise, um festzustellen, ob und wie sich durch Digitalisierung Mehrwerte und Vorteile erzielen lassen, ist es, den „digitalen Reifegrad“ zu ermitteln und je nach Bedarf und Zielsetzung Stück für Stück zu erhöhen, wie sie Dr. Gerrit Sames in seinem Reifegrad-Modell für das Thema Industrie 4.0 darstellt:
Quelle: Vogel Business Media: Industrie 4.0 – In 4 Schritten zur Handlungsstrategie
Das Reifegradmodell kann zu Analysezwecken am Beginn und während der Transformationsbestrebungen genutzt werden. Eine Ist-Stands-Analyse (z.B. SWOT) zeigt die wichtigsten Handlungsfelder, an denen eine Digitalisierungsstrategie ansetzen sollte. Dabei lassen sich die Herausforderungen der digitalen Transformation meist einem oder mehreren der folgenden drei Bereiche zuordnen:
- Technik
Beispiel: Von welchen aktuellen technischen Voraussetzungen gehen wir aus? Welche Tools, Plattformen und Technologien sollen genutzt werden, wie integrieren wir Kundenanforderungen in unsere internen Arbeitsprozesse? Wie werden Daten gespeichert, geschützt, zur Verfügung gestellt? - Prozesse
Beispiel: Wie sehen unsere aktuellen Prozesse aus, welche neuen Formen, z.B. der internen und externen Kommunikation und Vernetzung wollen wir implementieren bzw. entwickeln? Wie sehen Prozesse bei unseren Kunden aus, wie integrieren wir deren Anforderungen? - Mensch
Beispiel: Wie nehmen wir Mitarbeiter in Veränderungsprozesse mit? Wer treibt innovative Ideen bei uns im Unternehmen voran? Wie können unsere Vertriebsmitarbeiter in Echtzeit auf aktuelle Kundeninformationen und -daten zugreifen? Wie nutzen wir das durch Automatisierung einfacher Tätigkeiten freiwerdende Potential unserer Mitarbeiter? Welches Wissen, welche Weiterbildung, welche Arbeitsbedingungen und (mobilen) Formen der Zusammenarbeit werden benötigt?
Erfolg entscheidet sich daran, wie gut die drei Bereiche bei der Transformation ineinandergreifen
Besonders an den Menschen bzw. Mitarbeitern im Unternehmen und bei Kunden entscheidet sich, ob digitale Veränderungen sich geschäftlich erfolgreich auswirken. Intern gilt: Mitarbeiter müssen nicht nur einzelne Tools und Techniken adaptieren und beherrschen, sondern Arbeitsprozesse in Teams auch so gestalten, dass diese mit ihrem „digitalen Zwilling“ sinnvoll ineinandergreifen und ihn reflektieren. Nach außen, zu Kunden und Geschäftspartnern hin gilt: Digitale Leistungsversprechen – ob in Kommunikation, Lieferprozessen, im Rahmen von Service-Verträgen, in der Produktion, aber auch in Marketing und Vertrieb – müssen komplexer werdende Anforderungen bei Kunden und deren ebenfalls durch die digitale Transformation gewandelten Bedürfnisse bedienen. Dies erfordert beispielsweise bei Vertriebsmitarbeitern ein Denken in strategischen, markt- und branchenbezogenen Gesamtzusammenhängen über den reinen Produktkontext hinaus. Insofern werden in der digitalen Transformation spezifisch menschliche Fähigkeiten, Wissen, unternehmerisches und betriebswirtschaftliches Denken, Networking und kommunikative Kompetenz eher wichtiger als unwichtiger, nachzulesen auch im Artikel IT-Vertrieb 2020.
Das analoge Fundament kann bleiben, wenn es gut ist!
Ein häufiger Fehlschluss im Zusammenhang mit dem buzzword Digitale Transformation: Es gilt nicht, alles zu digitalisieren, was bei fünf nicht auf den Bäumen ist! Sondern das analoge Fundament, von dem ausgegangen wird, kritisch zu hinterfragen: Dient es (noch) dem Geschäftsziel, kann bzw. muss es selbst erst einmal verbessert oder ersetzt werden? Welchen Mehrwert würden digitale Lösungen in welchem Bereich bringen? In einigen Bereichen gewinnt Digitalisierung erst durch funktionierende analoge Basisprozesse an Fahrt. Ebenso gilt: Qualität vor Quantität. Dies beschreibt treffend ein Artikel bei Haufe mit dem Titel Sind Sie reif für die Industrie 4.0? :
„Manche Tests erwecken den Eindruck, die „digitale Reife“ sei ausschließlich abhängig vom Umfang verfügbarer digitaler Systeme und der Vernetzung. Diese Faktoren können die Effizienz von Unternehmensprozessen erheblich steigern. Jedoch gehört zur digitalen Reife auch die Fähigkeit, den Digitalisierungsumfang zu erkennen, der für das eigene Unternehmen sinnvoll und wirtschaftlich ist. Unternehmen, die so viel digitalisieren „wie nötig“ und diesen Umfang genau beschreiben und begründen können, verfügen vielleicht über weniger Technik, aber haben deswegen sicherlich keinen niedrigeren Reifegrad als Unternehmen, die – weniger reflektiert – so viel digitalisieren wie möglich.“
Best Practice: Unsere Digitalisierungsstrategie als Beratungs- und Trainingsdienstleister
Auch für uns als Dienstleister für Beratung und Training mit Fokus auf der ITK-Branche bietet die Digitalisierung viele Chancen. Was die Verbesserung und Effizienzsteigerung interner Prozesse und der Kommunikation zum Kunden hin betrifft, haben wir bereits einige wichtige Schritte unternommen:
- in unseren Vertriebsentwicklungsprogrammen nutzen wir zusätzlich zu den Präsenztrainings virtuelle Kommunikationsplattformen
- Trainer können direkt über die Unternehmenswebseite und einen dort integrierten Kalender gebucht werden
- in der internen Zusammenarbeit wird ein digitales Collaboration Tool genutzt, das flexible Zusammenarbeit, File Sharing uvm. ermöglicht
- unsere „analogen“ Entwicklungsprogramme sind ergänzt um digitale Mehrwerte, z.B. Wiederholungen via Webex, Plattformen zur Datenablage und zum Austausch, Einbindung von virtuellen Collaboration Tools
- wir arbeiten intern mit einem cloudbasierten, selbst konfigurierbaren digitalen CRM-System
Auch bei der Bereitstellung digitaler Produkte und Dienstleistungen haben wir uns auf den Weg gemacht: So entwickelte das Marketing-Team mit Hilfe der Low-Code-Plattform eines Digitalisierungsspezialisten eine virtuelle Sales App für Vertriebsmitarbeiter (Mehr dazu hier). Auch stellen wir im Rahmen einger Kundenprojekte Online Assessment Fragebögen mittels einer SaaS-Plattform bereit. Diese nutzen Inside Sales Mitarbeiter als Gesprächsstruktur, woraus die Kundensituation in einem Report aufbereitet wird und als perfekte Grundlage für das persönliche Kundengespräch dient.
Ein rein digitales Geschäftsmodell wird es für uns mittelfristig nicht geben, da gerade bei Trainings- und Beratungsdienstleistungen der persönlich geprägte Part der Dienstleistung im Zentrum steht und der zentrale Erfolgsfaktor ist.
Fazit
Digitale Lösungen steigern die Produktivität bestehender Abläufe, sparen Kosten, verkürzen Lieferzeiten, ermöglichen eine schnellere und effizientere interne und externe Kommunikation und vieles mehr. In vielen Branchen, wie z.B. IT und Logistik, erscheint es angesichts der Kunden-, Wettbewerbs- und Marktentwicklung geradezu als Diktat, auf den bereits fahrenden Zug der digitalen Transformation aufzuspringen. In anderen dagegen muss differenziert betrachtet werden, wo der Nutzen und der Mehrwert einer automatisierten gegenüber einer analogen Leistung liegt.
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