Im Rahmen von Projekten mit meinem Kooperationspartner, der upDATE Gesellschaft für Training und Beratung in Nürnberg, habe ich mich verstärkt mit der aktuellen Entwicklung von Einkaufsabteilungen in Mittelstand und Konzernen beschäftigt. Dazu studierte ich aktuelle Literatur zum Thema Einkauf und führte Interviews mit Einkäufern.
Immer mehr Unternehmen entdecken das Potential eines professionellen Einkaufs für ihre Geschäftsziele. Es liegt auf der Hand, dass ein Unternehmen sich Wettbewerbsvorteile erarbeiten kann, wenn es günstiger als die Marktbegleiter einkauft und diese Vorteile im eigenen Wertschöpfungsprozess effektiv umzusetzen kann.
Der Einkauf nimmt in modernen Organisationen über die direkte Funktion im Vorstand oder der Geschäftsführung aktiv Einfluss auf die Unternehmensziele. Das hat natürlich Folgen auf die Machtposition der Einkaufsabteilung innerhalb der Organisation.
Als Folge daraus wird jede Einkaufsabteilung darauf aus sein, alle Einkaufsprozesse in der eigenen Organisation zu kontrollieren. Sie wird das sogenannte Maverick Buying (http://de.wikipedia.org/wiki/Maverick-Buying) von Fachabteilungen nicht mehr dulden, d.h. der eigenständigen Vergabe von Aufträgen von Fachabteilungen ohne einen strukturierten und professionellen Beschaffungsprozess.
Diesen Aspekt schätzen IT Vertriebsorganisationen natürlich wenig. Bisher wurde über gute Leistungen und Beziehungen an die IT Abteilung verkauft. Das wird immer mehr Vergangenheit. Im Rahmen des organisierten Beschaffungsprozesses sorgt der Einkauf für Transparenz und vor allem für Wettbewerb. Es werden mehrere Vergleichsangebote eingeholt. Gute Beziehungen zu den Fachabteilungen zählen nicht mehr wie früher. Wenn das Angebot im Produktbereich faktisch gleich ist, liegen die Chancen für den Vertrieb im Bereich der Beratungs- und Servicequalität und den daraus entstehenden Nutzen für den Kunden. Damit dies Gewicht hat, gilt es diesen Nutzen in Zahlen auszudrücken und plausibel zu argumentieren. Dazu später mehr im Rahmen des wichtigen „Health Checks“.
Wenige IT Unternehmen sind nach meiner Erfahrung in der Lage die Frage nach dem erzielten Nutzen bei Ihrem Kunden konkret zu beantworten. Das bemerken auch die Einkäufer und ziehen daraus ihre Schlüsse. Das ist nachvollziehbar, oder? Ich meine damit nicht, dass die Frage leicht zu beantworten ist. Doch da, wo es nicht mal im Ansatz möglich ist, ist auch ein noch so kleiner Preisunterschied für den Einkauf verständlicherweise nicht diskutierbar. Der Einkäufer würde Kapital verschwenden.
Selbst anspruchsvolle IT Services, sollen nach dem Willen eines TOP Einkäufers für globale IT Projekte eines DAX Konzerns über Online Auktionen eingekauft werden. Die Stichworte heißen maximale Vergleichbarkeit und strukturierter Beschaffungsprozess.
Dazu lieferte er auch die Marschroute für die Zukunft: IT sollte ohnehin am Besten wie Strom eingekauft werden. Nutzen wir es, zahlen wir. Sonst nicht. Das hat natürlich Vorteile für Unternehmen. Keine Investitionen mehr, sondern nur noch laufende und nutzungsabhängige Kosten. Die Idee des Cloud Computings zielt in diese Richtung. Nicht wenige Marktexperten sehen darin die nächste Revolution, die Revolution, die der PC in der IT Industrie auslöste, in den Schatten stellen wird.
Ich fragte den TOP Einkäufer auch, ob es neben dem Kaufpreis noch andere Kriterien für eine Einkaufsentscheidung gibt. Sie setzen sich in ihrem Unternehmen mit den Fachabteilungen zusammen und fragen sich unter anderem, ob sie dem Unternehmen zutrauen, das Angebot nachhaltig umzusetzen. Er fügt an, dass es ihm ebenfalls sehr wichtig ist, ob das Unternehmen in der Vergangenheit mitgeholfen hat, die eigene Organisation besser zu machen. Die meisten Unternehmen schätzen Lieferanten, die die Extrameile für sie gehen. Doch die Unternehmen müssen es auch mitbekommen. Wie stellen Sie als Vertriebsorganisation aktiv sicher, dass Ihr Engagement und Leistung an den richtigen Stellen ankommt?
Es gilt jedoch auch: Nichts ist für den Einkauf schlimmer als eine Lösung zweimal einzukaufen. Damit macht sich der Einkauf weder bei der Fachabteilung noch bei der Geschäftsführung beliebt.
Die Kosten durch den Einkauf zu senken ist eine zentrale Funktion des modernen Einkaufs. Bleibt es bei der einseitigen Betrachtung im Beschaffungsprozesses so läuft der Einkauf große Gefahr den Lopez Effekt (http://encyclopedie-de.snyke.com/articles/lopez_effekt.html) auch bei sich zu realisieren. Damit entsteht dem eigenen Unternehmen relativ sicher mittel- und langfristig großer Schaden. Daher darf die Vergütung und Bewertung der Einkaufsleistung nicht nur auf die Senkung der Beschaffungskosten ausgerichtet sein. Der Lieferant muss gut verdienen, denn sonst kann dieser seine Beratungs- und Servicequalität nicht mehr leisten. Das sollten nicht nur Einkäufer wissen und schätzen.
Die andere wichtige Seite des modernen Einkaufs ist es WERTE zu schaffen, indem gezielt Lieferanten nicht nur nach den Einkaufskonditionen sondern auch in Bezug auf den eigenen Wertschöpfungsprozess ausgewählt werden. Diese wichtigen Lieferanten werden dann an das Unternehmen gebunden. Nicht jede Einkaufsabteilung wird diese Seite schon aktiv zu 100% umsetzen. Welcher Lieferant ist TOP für uns und hilft uns unsere Wettbewerbsposition zu verbessern? Um diese Frage zu stellen, muss der Einkauf strategisch denken und auch in dieser Hinsicht bewertet werden.
Um erfolgreich strategisch zu arbeiten braucht die Einkaufsabteilung einen kooperativen sowie zielorientierten internen Dialog mit den Fachabteilungen. Sie braucht dazu mehr Kompetenzen, Ressourcen und Vernetzung. Dazu braucht es die Haltung im Unternehmen: „Wir ziehen an einem Strang und wir wollen gemeinsam unser Unternehmen wettbewerbsfähiger gestalten.“ Der Einkauf muss zusammen mit den Fachabteilungen den Zusammenhang vom Einkaufen zum Wertbeitrag verstehen. Ist das nicht der Fall, kann dieser Ansatz nicht funktionieren.
Für die Lieferanten stellt sich in dem Zusammenhang mit modernen Einkaufsorganisationen immer mehr die anspruchsvolle Frage nach dem eigenen Wertbeitrag zum Wertschöpfungsprozess des Kunden. In der IT Welt hat sich in den letzten Jahren vieles verändert und nach meiner Beobachtung passen nur wenige IT Systemhäuser ihre Mission, Ziele und Wertbeiträge den veränderten Kundenbedürfnissen an. Der Alltag und Gewohnheiten führen zu mehr des „Gleichen“. Das ist sehr menschlich. Doch leider ist das, was uns erfolgreich machte, nicht zwingend das, was heute und morgen auch zum Erfolg führen wird.
Das Buch mit dem Titel „Business Model Generation“ hat mir in Bezug auf Ideengenerierung zu Geschäftsmodellen sehr gefallen: Ein Handbuch für Visionäre, Spielveränderer und Herausforderer. Es kann Ansätze liefern, sich neu zu positionieren. Gut für so einen Prozess ist die Nutzung des Know Hows der eigenen Unternehmung. Mutige und kluge Systemhäuser binden auch Partner sowie Kunden in den Prozess ein und finden gemeinsam Antworten und Ideen zu folgenden Fragen: Wofür gibt es uns heute? Wie gut passt unser Geschäftsmodel für unsere Kunden? Was können wir wirklich echt gut? Was verändert sich durch unser Angebot beim Kunden? Was machen die Kunden unseres Kunden? Welche Werte können wir in den Wertschöpfungsprozess des Kunden einbringen? Welchen Wert macht das für den Kunden aus? Welche Entwicklungen sehen wir kommen und wie können wir diese für unser Angebot und Kunden nutzen?
Meine Empfehlung: Gehen Sie frühzeitig in den Dialog mit Ihren Kunden. Holen Sie sich Feedback und Anregungen über Ihren Beitrag zum Wertschöpfungsprozess Ihres Kunden. Das kann gut im Rahmen eines „Health Checks“ geschehen. Das macht natürlich nur Sinn, wenn Sie wirklich Interesse an dem Dialog haben und den daraus entstehenden Möglichkeiten haben. Nicht immer sind diese Gespräche angenehm. Jede gute Einkaufabteilung erstellt ohnehin regelmäßig zusammen mit den Fachabteilungen eine Lieferantenbewertung. Gestalten Sie diese inhaltlich mit. Macht hat, wer macht. Sorgen Sie für eine entsprechende Lieferantenbewertung oder nehmen Sie wertvolles Feedback für Optimierungen mit. Für Ihre Geschäftsführung sollte dies sehr wichtig sein. Was läuft in der Zusammenarbeit gut? Was lässt sich optimieren? Welche Werte schaffen Sie wo und wie im Unternehmen? Welche Entwicklungen will der Kunde realisieren? Welche Ihrer Kompetenzen auszubauen oder zu ergänzen macht für den Kunden (und vielleicht auch für andere Kunden von Ihnen) Sinn?
Sind Sie im Bereich Neukundengewinnung unterwegs, sollten Sie frühzeitig auch die Einkaufsabteilung mit in Ihre Gespräche einbeziehen. Sie ersparen sich so unliebsame Überraschungen. Sie haben so die Möglichkeit Interessen und Ziele Ihres Kunden ganzheitlicher zu erfassen. Möglicherweise zeigt sich früh, dass das nicht Ihr Kunde ist. Oder Sie sehen gute Chancen und bringen mögliche Wertbeiträge Ihres Unternehmens ins Gespräch. Zusammen mit Ihrem Wunschkunden prüfen Sie diese Ideen auf Plausibilität, Stimmigkeit und Effekte in der Organisation.
Es gibt sicher auch Marktbereiche, wo der Kunde keine Beratung wünscht und in Anspruch nimmt oder dafür zahlen mag. Daher zählt nur der Preis und Lieferfähigkeit des Produktes. Wenn der Anbieter vermehrt in solche Situationen kommt, bedeutet dies entweder die internen Prozesse und Strukturen so anzupassen, dass „günstig“ angeboten werden kann, oder aber aktiv über das eigene Angebot und Wertbeitrag in Frage zu stellen und anzupassen oder bewusst „Nein“ zu dieser Möglichkeit zu sagen. Ganz im Sinne von: Change it. Love it. Or leave it. Nicht jeder Kunde passt für das eigene Angebot. Welche Kunden passen ideal zum eigenen Angebot? Was zeichnet diese aus?
Im praktischen Umgang mit Einkaufsorganisationen sollten Vertriebsmitarbeiter und Management die Makro – und Mirkostrategien von Einkäufern kennen und verstehen.
Dazu braucht es eine solide Kommunikations- und Verhandlungskompetenz, die immer individuell auf die Kundensituation und Organisationskultur eingestellt sein sollte.
Grundsätzlich sind Einkäufer in der Regel gute Schauspieler. Diese gehen gut vorbereitet in Verhandlungen. Das oberste Ziel es ist, die Vertriebsmitarbeiter zu verunsichern und im Unklaren über ihre Position zu lassen, um über diesen Druck, Zugeständnisse bei Preisen und Lieferbedingungen zu erzielen.
In der Schweiz, so erfuhr ich kürzlich in einem Workshop, geht man eher realistisch, entspannter und auf Augenhöhe in Verhandlungen. Das Harvard Verhandlungsmodel wird eher genutzt. Untersuchungen haben ergeben, das damit die nachhaltigsten Ergebnisse erzielt werden. Das hat aus meiner Sicht vor allem mit der persönlichen und organisatorischen Haltung zu tun. Diese gibt es sicher auch in manchen Einkaufsorganisationen in Deutschland. In solch einer Verhandlungsumgebung können kreative und stimmige Lösungen gefunden werden.
Es macht aus meiner Sicht auch unter ungünstigen Bedingungen wenig Sinn die Einkaufsabteilung als Gegner aufzufassen. Auch die Hirnforschung zeigt auf, dass diese Einstellung eher nachteilig wirkt. Es sind einfach weitere Gesprächspartner mit Interessen und Zielen. Es gilt wie immer im Vertrieb darum Nutzen zu stiften. Das wird nicht immer gelingen können.
Mein Fazit: Verkaufen und auch Einkaufen wird immer anspruchsvoller. Gute Vorbereitung, Dialog und die Bereitschaft in Wertschöpfungsprozessen zu denken, gibt beiden Seiten Chancen fair und kooperativ zusammen zu arbeiten. Da liegen für beide Seiten auch große Chancen um Wertschöpfungsprozesse sinnvoll gemeinsam zu gestalten. Da wo einseitig verhandelt und gefordert wird, gilt es umzudenken.
P.S. Was alle von mir interviewten Einkäufer bemängelten, war die Wahrnehmung, das nur sehr wenige Vertriebsmitarbeiter wirklich zuzuhören. Die meisten präsentieren ihre Story und der Kunde kommt zumindest „gefühlt“ nicht vor.
verfasst von unserem Trainer Christoph Schlachte, schlachte.wordpress.com