Postfaktisch, aber wirksam: Die Top-Killer für gute Ideen – und was man dagegen tun kann

Postfaktisch, aber wirksam: Die Top-Killer für gute Ideen – und was man dagegen tun kann

shutterstock_72987352_WEBEgal ob im DAX-Konzern mit großangelegtem Change Management oder im kleinen Start up, wo jeder selbst mit anpackt: Neue Ideen in tatsächlich im Alltag gelebte und umgesetzte Innovation zu verwandeln, ist ein harter, steiniger Weg. Und zwar von Anfang an: Genau genommen schon von dem Moment an, in dem eine Idee bzw. ein Vorschlag erstmals geäußert wird. Gerade dann, wenn noch kein Konzept ausgearbeitet, etwas noch nicht „zu Ende gedacht“ und fertig formuliert ist, ist es vergleichsweise einfach im Keim zu ersticken. Fast jeder kennt sie von sich selbst und aus dem Team- und Meeting-Alltag: Die typischen Showstopper, bewusst oder unbewusst gewählte Verhaltens- und Reaktionsmuster, mit denen man schlechte ausmerzen und guten Ideen und Vorschlägen das Leben schwer machen kann. Zum Beispiel:

Killerphrasen
Sie sind genervt, zum Beispiel, weil da wieder irgendwer (Newbie, Chef, Berater…) Ihre Welt (und Ihre gewohnte Arbeitsweise) verbessern will? Er hat aus Ihrer Sicht „keine Ahnung, wovon er spricht“, sprüht aber vor Ideen und Lehrbuchwissen, mit dem er sich gefühlt andauernd „einmischt“?  Zugegeben, die Ideen sind vielleicht nicht mal schlecht, bedrohen aber Ihre Komfortzone und Ihr bisheriges Weltbild, auch weil sie Arbeit bedeuten, die Sie nicht tun möchten oder können? Dann gibt es ein ganz praktisches und bequemes Mittel, Vorschläge zu vernichten, bevor Sie sich näher damit auseinandersetzen müssen: Zücken Sie einfach ein Killerargument! Hier eine Liste beliebter Sätze, mit denen man gutgemeinte Veränderungsansätze schnell und wirksam ausschalten kann:

  1. Das gibts schon.
  2. Das geht nicht.
  3. Das ist zu teuer.
  4. Das werden unsere Kunden nicht mögen.
  5. Dafür haben wir keine Zeit.
  6. Seien Sie doch realistisch!
  7. Wir müssen erst recherchieren.
  8. Dafür gibt es kein Budget.
  9. Wir wollen keinen Fehler machen.
  10. Die Geschäftsleitung wird nicht zustimmen.
  11. Dafür bin ich nicht verantwortlich.
  12. Das ist zu schwierig.
  13. Das ist eine zu große Veränderung.
  14. Dafür ist der Markt noch nicht reif.
  15. Das behalten wir erst einmal nur im Auge.
  16. Das dürfen wir hier nicht.
  17. Das würde bei uns nicht funktionieren.
  18. Seit wann sind Sie der Experte?
  19. Aus langjähriger Erfahrung weiß ich…
  20. Bei uns gibt es niemand, der das umsetzen könnte.

(Quelle: http://www.zephram.de/blog/workshop/killerphrasen/)

Laut und resolut vorgetragen entfalten solche oft völlig postfaktischen Aussagen ihre besondere Kraft: Wenn jemand zum Beispiel hastig behauptet, etwas habe/mache „keinen Sinn“ oder „gehe nicht“, bleibt durch dieses nur scheinbar objektive Argument erst einmal jedes weitere auf der Strecke. Oft bauen Menschen mit solchen Reaktionsmustern eine feste Rüstung um sich und ihr Arbeitsfeld. Besonders in Stressphasen oder zu Beginn von Innovationsprozessen, also in der Schock- und Verlustphase, sind Beteiligte oft von Angst getrieben. Diese bewirkt bei vielen ein extremes Festklammern an Vertrautem und Bekanntem und erlaubt erst einmal keine Experimente: Neues will einfach nicht gedacht werden.

Betriebsblindheit
Hier kommt auch das Thema „Betriebsblindheit“ ins Spiel. Die Fähigkeit Verhältnisse und Gegebenheiten kritisch zu hinterfragen, ist die erste Voraussetzung für Veränderung – oder anders gesagt: Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung. Während Kritikfähigkeit als wichtige Soft Skill gehandelt wird, ist aber sich selbst kritisch zu hinterfragen und Dinge genau zu analysieren heute weniger en vogue: Mit mangelnder Selbstsicherheit verwechselt und weil es unter Umständen zu zögerlichem Verhalten führt, passt es auf den ersten Blick nicht zum Schnelligkeitsgebot eines globalisierten Geschäftsgebahrens, in dem vor allem zählt, beim Erfüllen von Kundenansprüchen schneller als die Konkurrenz zu sein. Zu diesem Zweck Prozesse durch Standardisierung zu beschleunigen und Routinen zu schaffen, ist ein Mittel, um diese Effizienz kurzfristig herstellen. Langfristig besteht durch das Minimieren von Gelegenheiten zur Selbstreflexion aber die Gefahr, dass man die Außensicht verliert und es sich in den geschaffenen Routinen allzu „gemütlich“ macht. Und irgendwann nicht mehr mitkommt und als Hase dem Igel unterliegt. Die schlimmsten Auswirkungen von Betriebsblindheit treten oft erst auf, wenn es fast zu spät ist: Verlust von Wettbewerbsvorteilen, Langeweile und Demotivation der Mitarbeiter und – weil eine Außenperspektive einzunehmen nicht mehr möglich ist –  eine Abwehrhaltung allem Neuen gegenüber, nach dem Motto: „Warum sollten wir das tun? Es funktioniert doch alles!“ (Auch das ist eine herrliche Killerphrase!). Das ebenfalls oft als Schild getragene Mantra: „Never change a running system“ führt bei fortgeschrittener Blindheit der Beteiligten dazu, dass selbst die sprichwörtlichen toten Pferde noch als „running system“ wahrgenommen werden! In einem derart betonierten Umfeld müssen dann oft externe Berater her, die erst einmal mühevoll den Boden bereiten und eine grundsätzliche Reflexionsbereitschaft herstellen, bevor Ideen überhaupt diskutiert werden können.

Aus Mangel an Kriterien: Typische Fehler im Bewertungsprozess
Mal angenommen: Ein Vorschlag schafft es über das komplizierte Minenfeld rationaler und irrationaler Reflexreaktionen hinweg auf den Schauplatz vertiefter Betrachtung. Dann hat das (leider) noch immer oft Gründe, die mit sachlichen Kriterien der Bewertung wenig zu tun haben: Ob Ideen angenommen und weiterverfolgt werden, hängt nämlich zum Beispiel auch davon ab, wer sie äußert (Geschäftsführer oder einfacher Angestellter? Laut- oder Leisesprecher? Beliebter oder unbeliebter Kollege? usw.) und welchen Einfluss diese Person hat. Wenn einflussreiche Personen sich in eine Idee „verlieben“, werden wichtige Entscheidungsphasen, in denen rationale Pro- und Kontra-Argumente diskutiert oder die tatsächliche Wirkung der gefundenen Maßnahme getestet und analysiert werden müsste, oft einfach übersprungen. Dass die Idee nicht praktikabel, gewinnbringend oder angemessen war, stellt sich dann häufig erst heraus, wenn bereits viel Gehirnschmalz und Zeit mit der Umsetzung verbracht wurde – oft von viel mehr Leuten als dem eigentlichen Initiator.
Ebenso häufig und frustrierend ist aber auch der umgekehrte Fall: Die Ablehnung von Vorschlägen und Ideen z.B. durch Personen, die rhetorisch geschickter oder einflussreicher sind als derjenige, der sie vorbringt. Die Möglichkeiten, einen Entwicklungsprozess auch im fortgeschrittenen Stadium zu sabotieren, reichen dann über die plumpe Killerphrase hinaus auch zu raffinierteren Mitteln: Zum Beispiel dem der „Überanalyse“, das heißt, dem „Zersägen“ und „Zerpflücken“ einer Idee durch übermäßiges Betrachten möglichst aller Detailaspekte und Auswirkungen (bevorzugt der negativen). Auch passiv-aggressive Verhaltensweisen sind beliebt, um sachlich begründete Entscheidungen zu blockieren: Da wird dann ein Thema durch vorgeschobene andere Prioritäten entwertet, Lustlosigkeit und Desinteresse in Meetings verströmt oder gleich durch Abwesenheit geglänzt, Informationen und Unterlagen werden unterschlagen oder „vergessen“, etwas zu recherchieren oder zu erledigen. Solange bis alle von der entwertenden Atmosphäre angesteckt sind und die Sache gern auf Eis legen. Genauer betrachtet ist es dann aber nicht die Idee an sich, die „gescheitert“ ist, sondern das Team, das zu wenig geübt und sensibilisiert ist für eine konstruktive Diskussion von Ideen (die freilich auch deren Verwerfung bei Nichteignung umfasst!) und einen nachhaltigen Umgang mit Initiativen, trotz des fordernden Tagesgeschäfts.

Ideenbewertung in der Unternehmenskultur verankern
Ein erster guter Schritt, um die genannten „Killer“ zu umgehen, ist, zu erkennen, ob und in welchem Maße sie in der aktuellen Unternehmenskultur vorkommen. Anschließend können Maßnahmen ergriffen werden, um sie zu bekämpfen –  angefangen zum Beispiel bei einem Verbot von Killerphrasen in Meetings bis hin zum Design eines „Ideenverarbeitungsprozesses“, der, kontinuierlich gemanagt, bei einigen Ideen zu Innovation führen wird, bei anderen die rechtzeitige, ressourcensparende Verwerfung ermöglicht. Um diesen Prozess zu etablieren, sollten folgende Fragen geklärt werden:

  • Wie schaffen wir in unserem laufenden Tagesgeschäft Zeit und Raum für Reflexion des Bestehenden und die Auseinandersetzung mit neuen Ideen (Recherche, Adaptierung, Diskussion…)?
  • Wie regelmäßig und in welcher Form (Meeting, Workshop, Lab…) wollen wir uns explizit mit dem Thema Ideen und Innovation für unser Unternehmen befassen?
  • Wie sorgen wir durch passende Klassifizierungen („verwerfen“, „implementieren jetzt vs. später“, „weiter untersuchen“, „halten“ o.ä.) und ein systematisches „Ideenmanagement“ dafür, dass Ideen sachlich betrachtet werden und auch langfristig nicht verloren gehen?
  • Welche Methoden wenden wir an, um gemeinsam kreativ zu sein und Ideen zu sammeln? (Wussten Sie, dass das klassische Brainstorming eigentlich ein Haifischbecken voller Killer ist?)
  • Wie kommunizieren wir gewaltfrei untereinander?
  • Wie formuliert und präsentiert man Ideen so, dass sie beim Publikum auf Gehör treffen (dazu hilfreich: 7 Tipps von Dustin Staiger)?

Sicherlich wird man dadurch weder Fehlentscheidungen und – investitionen aus der Welt schaffen, noch die individuellen Beziehungen, die in jedem Unternehmen insgeheim den Ton angeben in größerem Maße beeinflussen können. Aber das Reibungsrisiko zu reduzieren und die Motivation kreativer Menschen zu erhalten – das schadet ganz bestimmt nicht.

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Zeit online: Wie aus guten Ideen Unternehmenserfolg wird
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