Wer „hart verhandelt“, beharrt um beinahe jeden Preis auf seiner Sichtweise. Erstes Ziel ist es, die eigenen Forderungen durchzusetzen. Erfolg ist hier gleichgesetzt mit „Gewinnen“. Was wiederum gleichgesetzt ist mit dem Unterliegen eines als schwächer betrachteten Gegners, der zu keinem Moment ein Partner war. Es geht also in harten Verhandlungen ein bisschen zu wie im Boxring. Bei diesem Bild gleich im Gepäck: Ein traditionelles Verständnis von Männlichkeit, das Stärke als Unterdrückung von Emotionen und als Entwertung bzw. Ausmerzung eines Anderen, Schwächeren definiert. Der eine Platzhirsch setzt dem anderen solange zu bis dieser klein beigibt bzw. das Weite sucht. (Dass auch Frauen ein solch als „männlich“ getaggtes Autoritätsgebahren locker hinkriegen, wenn sie nur wollen und auch den Box-Sport längst für sich entdeckt haben, sei hier nur am Rande angemerkt!)
So überspitzt ist der harte Verhandlungsstil weder häufig anzutreffen, noch besonders en vogue. Nicht nur, weil sich Unternehmenskulturen, Werte, Rollenverhalten und Erziehungsstile geändert haben. Sondern auch, weil sich herumgesprochen hat, dass diese Art, Gespräche zu führen, selten wirklich Erfolg in Form von Win-Win-Lösungen und langfristig blühenden Beziehungen zu Mitarbeitern oder Kunden zeitigt. Welche man in Zeiten wachsender Volatilität und Unverbindlichkeit mehr denn je benötigt.
Heißt das nun im Umkehrschluss, einen weichen Verhandlungsstil zu favorisieren?
Betrachten wir den sogenannten weichen Verhandlungsstil mal ebenso überspitzt: Dieser besteht darin, in Gesprächen hauptsächlich Beziehungspflege zu betreiben. Zugeständnisse zu machen, Empathie zu zeigen, nett zu sein und Konfrontationen möglichst aus dem Weg zu gehen. Die Folge: Alle mögen sich, aber „Butter kommt nicht bei die Fische“! Ergebnisse und Vereinbarungen verschwimmen in einem Meer aus Unverbindlichkeiten und Nettigkeiten, der sachliche „Klartext“ kommt zu kurz oder fehlt ganz. Weicher auftretende Gesprächsteilnehmer werden von härteren über den Tisch gezogen. Und selbst wenn in einer Runde zufällig tatsächlich mal alle auf Softie machen: Wo nicht mit offenen Karten gespielt wird, ist der typisch menschliche Kampf um Macht und Status nicht unbedingt ausgeschaltet. Er ist nur auf eine subtilere Ebene verlagert. Unter die Spitze des berühmten Eisbergs der menschlichen Kommunikation: Dahin, wo es um wirklich Gravierendes geht. Um Persönliches. Um Vertrauen. Um Abhängigkeiten, Ängste, Groll, Sympathie, Loyalität, Nähe und Distanz. Und wo buchstäblich nach „Herzens“-Lust manipuliert, erpresst, gewonnen und verloren wird. Oft sogar mit schwerwiegenderen Folgen als auf dem Platzhirschplatz. (Dass auch Männer ein solch als „weiblich“ getaggtes Manipulationsgebahren locker hinkriegen, wenn sie nur wollen und bei vordergründig freundlichem Auftreten bestens in der Lage sind, alle Register passiver Aggressivität zu ziehen, sei hier nur am Rande angemerkt!)
Also, wie zum Himmel führt man denn nun ein wirklich konstruktives Gespräch?
Die Versuchung ist groß, einen Stil zu favorisieren, der dem eigenen persönlichen Werte- und Wertungshorizont am besten entspricht. Wer gelernt hat, „weich“ als „schwach“ und“hart“ als „stark“ zu interpretieren, macht gern auf Alphatier. Und wer umgekehrt „weich“ als „sympathisch“ und „hart“ als „brutal“ empfindet, tendiert eher zum Schmusekurs. Von sich selbst und seinen persönlichen Verhaltensvorlieben auf das vermeintlich richtige Vorgehen und Verhalten in einem Gespräch zu schließen, birgt aber Gefahren:
a) Wer in Gesprächen hauptsächlich damit beschäftigt ist, sich persönlich zu profilieren oder zu bestätigen, ist automatisch eher auf Sendung als auf Empfang. Er übersieht leicht, wie der Gesprächspartner tickt, was er genau sagt (typisch: Man hört, was man hören will!), welches Verhalten situationsadäquater wäre und welche Argumente zählen.
b) Auch wenn man ein bestimmtes Auftreten verinnerlicht hat und deshalb bevorzugt, heißt das noch nicht, dass man damit auch authentisch „rüberkommt“. Gerade bei Härte und Toughheit kann es sich um eine anerzogene, idealisierte und bis zur Perfektion beherrschte Pose handeln, die auf Angst und Aggressivität gründet und ein häufiges Phänomen in der Gesellschaft und im Management von Unternehmen ist (dazu sei Neugierigen das Buch „Der Fremde in uns“ von Arno Gruen wärmstens empfohlen!). Ein halbwegs sensibler Gesprächspartner erkennt leider trotzdem, was „gespielt“ wird. Negative Auswirkungen auf Glaubwürdigkeit, Sympathie und Vertrauen inklusive. Personen sind mehrdimensional, Rollen dagegen meist eindimensional. Authentisches Auftreten bedeutet, sich als der Mensch zu zeigen, der man ist: Ein komplexes, ernstzunehmendes, vielfältiges, sympathisch unperfektes und meist widersprüchliches Wesen. Abseits der Pose oder Rolle weiten sich fast automatisch Wahrnehmungsfähigkeit, Empathie und Verhaltensspielraum. Und die Bereitschaft, sich auf ein ähnlich komplexes „Universum“ namens Gesprächspartner wirklich und konstruktiv einzulassen, steigt. Zu einer starken, authentischen und überzeugenden persönlichen Ausstrahlung zu gelangen, ist mühsame „Lebensarbeit“, lohnt sich aber langfristig mehr, als sich „Verhandlungstechniken“ nach Handbuch anzutrainieren.
c) Persönliche Verhaltenspräferenzen und damit auch Wertungen bzw. Entwertungen was das Gespräch, den Gesprächspartner und das Gesprächsergebnis angeht, sind oft die Ursache subjektiver Fehlschlüsse und Reflexentscheidungen. Wenn es subtil oder ganz offen ständig um den Beweis der Überlegenheit einer bestimmten Weltsicht oder eines bestimmten Persönlichkeits-, Verhaltens- bzw. Verhandlungsstils geht, können keine sachbezogenen Lösungen erörtert oder reflektiert werden. Insbesondere dann nicht, wenn sie außerhalb der Vorstellungskraft und des persönlichen Horizonts der Beteiligten liegen.
Gute Verhandler beherrschen harte und weiche Verhandlungsstrategien situativ, aber so weit wie möglich unabhängig von ihrer eigenen Person und ihren persönlichen Prägungen und Idealen. Sie fokussieren auf das Verhalten und die Argumente des Gesprächspartners und sind darum bemüht, adäquat darauf zu reagieren. Sei es durch aktives Zuhören, sei es durch den authentischen Einsatz von Humor und sprachlicher Ausdrucksfähigkeit, sei es durch klares Fokussieren und Erinnern an Fakten und Argumente, um bei der „Sache“ zu bleiben. Und damit beherrschen sie gleich noch eine dritte Strategie: Das sachbezogene Verhandeln, wie es in einem der bekanntesten Bücher zur Verhandlungsführung, dem „Harvard-Prinzip“ beschrieben ist. Dessen vier Grundprinzipien sind:
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Behandeln Sie Menschen und Probleme getrennt voneinander!
Die Frage „Worum geht es?“ steht vor der Frage „Wer spricht mit mir?“. Es wird versucht, die Beziehungsebene und Persönliches weitestgehend auszuklammern. Das ist zwar so gut wie unmöglich. Man kann es aber trotzdem pro forma für sich als „Spielregel“ definieren. Dann ist man sensibilisiert, erkennt kritische Situationen schneller und bemüht sich aktiver um Sachlichkeit. Es ist ein Willensentschluss und erfordert einiges an Disziplin, Äußerungen des Gesprächspartners konsequent auf der Sachebene zu empfangen, selbst wenn sich der Gesprächspartner nicht daran halten und mit allen Mitteln auf der Beziehungsebene agiert. Steigt man darauf nicht ein, lässt sich so zumindest insgesamt gesehen ein hohes Niveau an Objektivität halten. Gleichzeitig sollte sich auf der Beziehungsebene auf Beziehungspflege im positiven Sinne konzentriert werden. Freundlichkeit, Respekt, Verständnis, Vertrauen, Empathie sind die Basis, auf der Gespräche überhaupt erst in Gang kommen.
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Stellen Sie nicht Positionen, sondern Interessen in den Mittelpunkt!
Beherzigt man diesen Tipp, geht es in erster Linie weder um’s Rechthaben noch um’s Gewinnen! Und nicht einmal unbedingt um einen Kompromiss nach dem Motto „halbe/halbe“!
Sondern darum, die eigenen Interessen und die des Gesprächspartners zu verstehen und daraus eine möglichst große Schnittmenge zu generieren, welche für alle Seiten Vorteile bringt. Im besten Fall bedeutet diese die Befriedigung von Bedürfnissen auf beiden Seiten. Das bedeutet für das Gespräch ganz praktisch: Fragen und Zuhören sind erstmal wichtiger als sich rhetorisch Pfründe und Positionen zu sichern. Mehr vom Anderen wissen wollen, statt gleich zu urteilen oder mit Totschlagargumenten ins Haus zu fallen. Wo sich nicht in Grabenkämpfen, Machtspielen und Feilschen erschöpft wird, entsteht Raum, in dem nicht nur geredet, sondern zugehört, überlegt und auch mal geschwiegen werden kann. Wenn man die Motive des Gesprächspartners versteht und auch bereit ist, eigene Vorannahmen kritisch zu überprüfen, eröffnen sich neue und manchmal überraschende Lösungsmöglichkeiten. So kann eine Gehaltserhöhung nur eine von mehreren Optionen sein, um einem Mitarbeiter sein Bedürfnis nach mehr Wertschätzung zu erfüllen. Oder hinter dem schnell vorgebrachten Einwand eines Kunden „zu teuer“ steht in Wirklichkeit ein persönliches oder unternehmerisches Sicherheitsbedürfnis, das man noch auf andere Weise befriedigen kann als durch schnell angebotene Preisnachlässe. Zum Beispiel durch transparentere, flexiblere Preisstrukturen und Bezahlmodelle. -
Entwickeln Sie vor der Entscheidung verschiedene Wahlmöglichkeiten!
Die einzig wahre Lösung gibt es nie. Je besser die Interessen der Beteiligten im Gespräch erarbeitet werden und je mehr unterschiedliche Sichtweisen gehört und respektiert werden, desto mehr gleichberechtigte und mit validen Argumenten begründbare Handlungs- und Entscheidungsoptionen liegen schlussendlich auf dem Tisch. Die finale Entscheidung bietet für alle Beteiligten einen Nutzen auf Basis von deren Interessen. Und hat so im Idealfall die Form einer echten Win-Win-Situation.
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Bauen Sie das Ergebnis auf objektiven Entscheidungsprinzipien auf!
Das bedeutet, dass nicht nur die Interessen, sondern auch die Kriterien geklärt werden, die den Gesprächspartnern wichtig sind, um eine Entscheidung zu treffen. Und woran sie die Güte des Ergebnisses messen möchten: Am bestmöglichen erzielbaren Preis? Am Grad der ökologischen oder betrieblichen Nachhaltigkeit? An der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, z.B. der Datenschutzbestimmungen? Am Marktwert? Indem man die gefundene Lösung an solchen vorab vereinbarten Kriterien misst, steigt deren Akzeptanz und die Objektivität bleibt gewahrt. Am wenigsten zählt infolgedessen dann als Kriterium: „Wir machen es so, wie es XY will, weil er hier das Sagen / am lautesten geschrien hat.“ In einem von Sachlichkeit geprägten Umfeld sind Entscheidungen also so weit wie möglich unabhängig von den Personen zu treffen, die sie eingebracht haben.
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Roger Fisher: Das Harvard-Konzept
Arno Gruen: Der Fremde in uns
Gerald Hüther: Wer wir sind und was wir sein könnten
faz.net: Verhandeln auf die sanfte Tour
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zeitzuleben.de: Die Win-Win-Strategie in Alltag und Beruf
business-wissen.de: 10 Tipps, wie Sie erfolgreich verhandeln
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